Arne Banane
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Die Tulpe im Knast

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Die Tulpe im Knast

Die Tulpe im Knast

Ich bin Polizist und liebe meine Ordnung. Mein Leben ist strukturiert, mein Haus ist viereckig und meine Einfahrt ist sauber gepflastert.

An Ostern brachte ein Tulpe mein ganzes Leben durcheinander. Sie wuchs mitten auf meinem Gehweg. In einer einzigen Nacht musste sie durch die Steine im Einfahrtsweg hindurchgewachsen sein. Ich starrte sie an.

„Schaut nur!“, riefen die Nachbarskinder und schauten vom Zaun aus hinüber zur Blume. Ihr Mehrfamilienhaus war von einem Schotterplatz umgeben und so eine Pflanze hatten sie noch nie gesehen.

Ich war gar nicht über die Tulpe erfreut. Ich wartete bis die Kinder sich abwandten und zertrat die Tulpe mit meinem Fuß. Als ich den Schuh wieder vom Boden hob, war die Pflanze verschwunden. Ich sah noch nicht einmal Reste.
Kurz war ich verwundert und betrachtete etwas missmutig den Weg, der durch meine schweren Tritte etwas in schief geraten war. Dann ging ich wieder ins Haus.

Hinter mir hörte ich wie die Kinder wiederkamen und sich fragten:
„Wo ist sie hin?“
„Sie war doch gerade noch da!“
„Ich glaube sie hat sich in Luft aufgelöst!“

Ich schmiss gerade die Tür hinter mir ins Schloss, da sah ich sie wieder. Sie wuchs direkt auf der Schwelle zum Wohnzimmer. Die Tulpe.

Hätte ich länger nachgedacht, wäre ich vielleicht verwundert. Doch ich trat wieder zu.
Wieder war die Pflanze verschwunden.
Mein weißer Teppich hatte jetzt schwarze Dreckspuren von meinen Stiefeln.

An diesem Morgen begegnete mir die Tulpe noch an verschiedenen Orten: In der Spüle, auf der Lampe, an der Türklinke oder in der Vase.
Hätte ich mich inzwischen nicht schon so sehr darauf versteift, die Tulpe loszuwerden, hätte ich sie an manchen Stellen vielleicht in Ruhe gelassen und mich sogar darauf gefreut.

Doch ich trat und schlug und zerstörte meine ganze Ordnung in meinem aufgeräumten Haus.

Als ich wieder nach draußen trat, sah ich sie wieder auf dem schiefen Gehweg wachsen – genau an derselben Stelle. Ich trat drauf.

Dann hörte ich die Kinder geschockt einatmen. Ich drehte mich um.
„Warum haben Sie das gemacht?“
„Die war doch schön!“, riefen sie.

Mir egal, dachte ich mir. Diesmal rupfte ich die Tulpe mit den Händen aus dem Boden und verhaftete sie. Ich brachte sie persönlich auf die Wache und sperrte sie in unsere freie Zelle im Knast.

Als ich die Kinder auf dem Rückweg immer noch am Zaun stehen sah, nahm ich mir ein Herz. Ich holte die Tulpe zurück aus dem Knast, pflanzte sie auf dem Gehweg ein und vergaß für den Rest meines Lebens die Ordnung.

Schönes trat in mein Leben. Im übrigen bin ich der Meinung, dass Wikipedia einen schönen Artikel über Polizisten geschrieben hat!

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