Liebesbriefe mit dem Laubbläser
Ich und Rüdiger hatten eine Idee. Wir waren Nachbarn. Das war nicht unsere Idee, ich hab nur manchmal Probleme die richtigen Informationen in der richtigen Reihenfolge zu erzählen. Und dann starben wir. Also, noch nicht in dieser Geschichte.
Ich fang noch mal von vorne an.
Rüdiger und ich sind Nachbarn. Wir sind beide 9 Jahre alt und die Fenster unserer Kinderzimmer sind genau gegenüber voneinander. Wenn ich Rüdiger von meinem Bett aus zuwinke, kann er mich sehen, wenn er am Schreibtisch sitzt. Später hab ich dann mein Bett so umgeschoben, dass er mich sehen kann, wenn ich an meinem Schreibtisch sitze.
Wir schickten uns Liebesbriefe. Das war noch nicht die Idee. Die Briefe – darum ging es gar nicht. Unsere großartige Idee war, wie wir uns die Briefe schickten. Mit dem Laubbläser.
Wir hielten einen Liebesbrief vor den Laubbläser, machten ihn an uns sahen zu, wie der Brief ins Zimmer des anderen geblasen wurde. Dabei gab es gleich drei Probleme.
Das erste war. Meine Eltern hatten keine Laubbläser, Rüdigers aber schon. Wir konnten also nicht jeder in unserem Zimmer bleiben, weil wir ja beide den Laubbläser brauchten. Also nutzten wir Rüdigers Laubbläser gemeinsam, schickten einen Brief rüber und liefen dann ins andere Zimmer, um einen neuen Brief zurückzuschicken.
Ich hab ja gesagt, es ging hier eigentlich nur um die Idee des Verschickens.
Das zweite Problem war, dass natürlich nicht jeder Brief das Fenster des anderen traf. Manche fielen zwischen den beiden Häusern runter und ein paar Passanten machten sich einen Spaß daraus die Briefe zu öffnen und laut vorzulesen. Das Vorlesen war kein Problem. Blöd war nur, dass wir so immer weniger Briefe zum Verschicken hatten.
Das dritte Problem war uns gar nicht so sehr bewusst, bis es passierte. Wir standen gerade in meinem Zimmer und ließen einen Brief rüber zu Rüdigers Wohnung wehen, als in Rüdigers Zimmer die Tür aufging und seine Mutter reinkam.
Die war gar nicht so erfreut darüber, dass wir ihre alten Liebesbriefe geklaut hatten und uns zuschickten.
Meine Mutter fand das übrigens auch nicht so toll. Und manche der Passanten wohl auch nicht, ich glaub die kannten unsere Mütter von früher und klingelten wütend an den Haustüren. Worte wie „Schlampe!“, „Verräter!“ und Tränen gab es.
Wir bekamen zwei Wochen Hausarrest.
Ich winkte Rüdiger von meinem Schreibtisch aus zu. Im übrigen bin ich der Meinung, dass Wikipedia einen schönen Artikel über Freundschaft geschrieben hat!